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AutorenbildArmin Grasmuck

Das war die IAA: Starke Stromer aus Fernost

Elektrofahrzeuge aller Segmente und die Anbieter der entsprechenden Infrastruktur dominieren auf der IAA Mobility. Die Anbieter aus China setzen auf der internationalen Plattform ihre eigenen Akzente.


Der Bundeskanzler hat um den Stand von BYD einen großen Bogen gemacht. Als er die IAA Mobility in München offiziell eröffnete, hielt sich Olaf Scholz bevorzugt an den Präsentationsflächen der deutschen Hersteller auf. Er lobte die Innovationsfähigkeit der Autobauer und Zulieferer mit ihren mehr als 750.000 Mitarbeitern. „Die deutsche Automobilindustrie ist ein zentraler Treiber des Aufbruchs in Richtung einer nachhaltigen Zukunft“ sagte Scholz: „Sie macht Mobilität attraktiver, leistungsfähiger und schöner.

Kanzler zu Gast - Olaf Scholz (2. von rechts), an diesen Tag am Auge verletzt, besuchte den Messeauftritt von Volkswagen – und sprach mit CEO Oliver Blume (2. von links).

Mit Blick auf die Konkurrenz, speziell aus China, betonte der Kanzler, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Autolands Deutschland stehe „völlig außer Frage“. Es sei kein Zufall, dass in Europa fast jedes zweite und China fast jedes fünfte Auto von deutschen Hersteller komme.


Selbstbewusster Auftritt


Die IAA Mobility offenbarte jedoch auch, wie der Markt gerade durcheinandergewirbelt wird. Die chinesischen Hersteller sind speziell im Segment der Elektromobilität vehement auf dem Vormarsch, wie sie mit ihrer Präsenz in München deutlich belegten. Einer der größten Stände in den Messehallen im Stadtteil Riem gehörte BYD – kurz für Build Your Dreams, zu Deutsch: Verwirkliche deine Träume. Dafür dominierten die deutschen Autobauer auf den riesigen Freiluftflächen in der Innenstadt.


„Wir haben bedeutende Fortschritte bei der Erschließung neuer Märkte in Europa gemacht“, sagte Michael Shu, Managing Director von BYD Europe: „Obgleich wir unsere Marke erst vor zwölf Monaten in Europa eingeführt haben, konnten wir in weniger als einem Jahr in 15 europäischen Ländern eine Präsenz für unsere Marke schaffen und über 140 Geschäfte eröffnen.“ Tendenz steigend.

Dazu passt: Nach einer Umfrage des Automobilzulieferers Continental können sich aktuell 45 Prozent der deutschen Autofahrer vorstellen, ein neues Elektromodell chinesischen Fabrikats zu kaufen. „Deutsche Kunden achten sehr auf Qualität und Service“, so umriss es Wan Gang, der Präsident des chinesischen Technologieverbands, im Interview mit der ARD. „Die Präzision, mit der dort gearbeitet wird, ist für uns ein weiterer Lernprozess.“


Für die deutschen Produzenten bedeutet dies: noch mehr Druck. Die aktuelle Rabattschlacht, ausgelöst von dem dominanten US-Hersteller Tesla, schmälert ohnehin das Erfolgspotenzial. Kostet ein Elektroauto in China umgerechnet 32.000 Euro, ist das gleiche Modell in Europa fast doppelt so teuer. „Dieser Preiskampf lässt den Autobauern nur eine minimale Gewinnmarge“, sagte der auf Chinas Automarkt spezialisierte Analyst Jochen Siebert. „Ich frage mich, wie lange das noch so gehen kann


Premieren und Durchstarter


Es wirkte umso spannender, dass neben BYD, das in München das neue Modell Seal – ein knapp fünf Meter langes Universal-SUV für Firmen und Familien, das Anfang nächsten Jahres auf den Markt kommen soll – präsentierte, eine ganze Reihe weiterer Unternehmen aus China auf der IAA im Einsatz war. MG stellte etwa das E-Cabrio Cyberster vor, nach dem Fiat 500 erst das zweite batteriegetriebene Open-Air-Modell. Xpeng zeigte den G9, ein Mittelklasse-SUV des Premiumsegments mit ultraschnellen ­Ladedaten. Nio fuhr den elektrischen Kombi ET5 Touring vor. Dazu kamen noch wenig bekannte Neustarter aus Fernost wie der Avatr 12, der bullige Van Denza D9 oder das Smart-Imitat XEV Yogo.


Apropos Smart. Selbst das neue SUV Smart #3, das Mercedes inzwischen in Zusammenarbeit mit Geely umsetzt, und der neue Mini Cooper, für den sich BMW bei Entwicklung und Produktion mit Great Wall Motors arrangierte, werden heute in China hergestellt. Die beiden Modelle wurden ebenfalls in München vorgestellt.


Wan Gang, der Technologiepräsident, ging davon aus, dass die chinesische und die deutsche Autoindustrie auch in Zukunft kooperieren werden. „Wenn wir über Elektrofahrzeuge sprechen, ist das Ziel: gemeinsam gegen den Klimawandel. Das ist unsere Pflicht, das müssen wir miteinander tun.“ Aktuelles Beispiel: Volkswagen übernahm im August knapp fünf Prozent von Xpeng, einem Start-up aus Guangzhou – und plant nun, zwei digital vernetzte Elektroautos auf Basis der Xpeng-Technologie zu bauen.


Schlüsselfaktor Software


Auch auf der IAA war deutlich zu erkennen, dass die deutschen Hersteller, speziell was die Software betrifft, der Konkurrenz aus China mitunter erheblichen hinterherhinken. „Das ganze Infotainment im Auto ist sehr wichtig, dass ich da meine blinkenden, aufwendigen Features habe“, so erklärte es Philipp Kemmler, Sprecher von Great Wall aus Baoding bei Peking: „Das mögen wir Europäer ein wenig schlichter, nüchterner. Dass wir eine Selfie-Funktion im Auto haben oder eine Karaoke-Funktion, wird der Europäer noch nicht wollen. Aber es wird sich auch dahingehend verändern.“


Wer sich bereits intensiv mit den Software der Stromer aus Fernost beschäftigt hatte, wusste jedoch keineswegs erst seit der IAA: In diesem Segment gibt es speziell auch für die chinesischen Hersteller noch einiges zu tun. Eine Vielzahl der technischen Innovationen hakt, zumindest auf den Straßen Europas. Da ruckelt der Spurassistent gewaltig bis gemeingefährlich, streikt die Sprachsteuerung und rauscht es wild und störend im Radio – von inakzeptablen Übersetzungsfehlern in den Displays und Lautsprechern ganz zu schweigen.


Bedeutende Themen auf der IAA waren zudem die Ladeinfrastruktur und die entsprechenden Ladesysteme. Ola Källenius, der Vorstandsvorsitzende von Mercedes, sprach von einem neuen Hochleistungsnetzwerk zum Stromziehen, das bereits im Herbst nach China sowie in die USA und nach Deutschland kommen soll. BMW-Chef Oliver Zipse unterstrich die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Batteriehersteller CATL, dem Weltmarktführer, der gerade ein neues Werk in Thüringen aus dem Boden stampft.


Laden der nächsten Dimension


Auch BYD hatte im Jahr 1995 als Produzent von Batterien begonnen. Ein Grund für den heutigen Erfolg, so erklärte es Dong Chengwu vom Pekinger Analysten Autodatas auf der IAA: „Sie stellen ihre Batterien nach wie vor selber her. Diese Tiefe in der Produktion hilft ihnen.“ Nio, das Start-up aus Schanghai, setzt allerdings weniger auf das Laden, sondern auf Batterietausch. Von den Niederlanden bis an die Alpen hat Nio seine Wechselstationen gebaut. Sie sehen aus wie Carports, in die der Wagen autonom einparkt. Dann öffnet sich der Fahrzeugboden, per Roboter wird die leere gegen eine volle Batterie ausgetauscht – innerhalb von nur vier Minuten.

Neuer Markt - Auch Anbieter von Ladeinfrastruktur wie Ionity, Wallbox- und Batterieproduzenten präsentierten sich auf der IAA Mobility.

Nios Partner? „Ende letzten Jahres haben wir ein strategisches Abkommen mit EnBW abgeschlossen“, sagte Zhang Hui, der Europa-Chef von Nio auf der IAA. „In den nächsten Jahren werden wir Swap Stations auf dem Gelände der EnBW-Supercharger bauen können.“ Das Problem der hohen Batteriepreise plant Nio durch ein Leasingmodell zu lösen.


Positive Bilanz


Gut eine halbe Million Gäste – 100.000 mehr als 2021. Die IAA Mobility begeisterte das Publikum. Teils überfüllt waren die Open Spaces, diese großen Ausstellungsflächen unter freiem Himmel in der Münchner Innenstadt – auch aufgrund des Traumwetters. Auf dem Messegelände in Riem trafen sich die Fachbesucher. «Wir können zuversichtlich in die Zukunft blicken», sagte Hildegard Müller, Präsidentin des veranstaltenden Verbands der Automobilindustrie.



IAA-News


Dialog mit System


In den Modellen von Mercedes soll es bald möglich sein, neben den üblichen Kurzbefehlen auch längere Gespräche mit dem künstlich intelligenten Bordcomputer zu führen – über den Zielort oder Shopping-Stopps zum Beispiel..

 

E-Bikes 3.0


Batteriegetrieben Räder liegen mehr denn je im Trend. Neueste Innovation: E-Bikes, die kontaktlos geladen werden können – über den entsprechend aufgerüsteten Ständer, der genau auf der Stromquelle im Boden zu platzieren ist. .


 

Leichtere Antriebe


ZF, die Technologieschmiede aus Friedrichshafen, präsentiert den Prototyp eines ultrakompakten Motors, der KI-basiertes Energiemanagement mit neuem Thermomanagement kombiniert. Diese Hochvolttechnik wiegt gut ein Drittel weniger als das aktuelle System.

 

Ultraschnellzug


In 40 Minuten statt in vier Stunden von München nach Berlin: Der Hyperloop, ein revolutionäres Verkehrsmittel, dass mit bis zu 900 km/h durch luftleere Röhren rast, soll es ab 2030 möglich machen.

 

Autonom in die City


Der voll automatisch verkehrende Stadtbus von Schaeffler wird bereits in zwei Jahren auf die Straße kommen. Noch krasser: Autonome Fahrräder mit Geschwindigkeiten von bis 45 km/h und Reichweiten von 260 Kilometern, die den Zweitwagen ersetzen sollen.




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