Simon Oetter, bei Ionity verantwortlich für das Geschäft mit B2B-Kunden, erklärt die Strategie des Ladestromanbieters im Segment der Firmenflotten.
Ionity ist als Anbieter von Ladestrom bekannt und etabliert. Nun werben Sie auch gezielt um Fuhrparks und Flotten. Welches Potenzial haben Sie in diesem speziellen Segment der Geschäftskunden für sich ausgemacht?
Simon Oetter: Ich würde sagen, Ionity hatte bereits zu Beginn den B2B-Fokus – im direkten Geschäft mit den Ladekartenanbietern. Da gab es noch keine eigene Ionity-App. Wir haben also eine B2B-Vergangenheit und arbeiten mit unseren neuen B2C-Angeboten gerade auch daran, den Kontakt zu den Endkunden zu verstärken. B2B ist allerdings ein weites Feld. Es stimmt, wir setzen nun auch Fuhrparks unter Strom. Wir sprechen mit Verantwortlichen von Firmenflotten, wie wir unsere Angebot dort einweben könnten. Und die Manager der Fuhrparks fragen, welche attraktiven Angebote wir für sie haben. Auch mit anderen B2B-Playern wie Autoverleihern oder Flughäfen sind wir in Kontakt.
Welche Kriterien sind für Sie in diesem Zusammenspiel entscheidend?
Wir beurteilen: Was macht für uns strategisch Sinn? Und wo kommt der Bedarf bei uns an? Wie gesagt: Flughafen, da gibt es konkreten Bedarf für die Mietwagenanbieter. Logistikunternehmen – hoch relevant! Speziell die Klasse der Kleintransporter in der Größe des Mercedes EQV ist für uns interessant. Wir arbeiten gerade an Pilotprojekten für solche Partner. Ehrlicherweise ist unser Netzwerk erst jetzt groß genug, um mit Firmenkunden zu sprechen. Vor drei, vier Jahren hätten Firmen oder Logistiker mit mehreren Ladestromanbietern arbeiten müssen, um ihre Flotte flächendeckend laden zu können. Inzwischen ist unser Netzwerk so dicht, dass es auch für den Logistiker genügt, allein mit dem Ionity-Zugang unterwegs zu sein.
Bezogen auf die Praxis: Gibt es für solche Kooperationen eigene Applikationen oder spezielle Software, die auf die Geschäftskunden zugeschnitten ist?
Der Kern wird vorerst der reine Zugang zur Ladesäule sein, da hat sich die Ladekarte als verlässlichstes Medium durchgesetzt. Gerade im B2B-Umfeld ist es vorteilhaft, weil der Fahrer nicht unbedingt ein Smartphone und die App mit eigenem Log-in benötigt. Die Karte bekommt der Fahrer einfach mit dem Schlüssel ausgehändigt. Damit kann er überall laden – fertig. Plug-and-charge? Ja, das kommt. Auch wenn es in diesem Umfeld noch etwas dauert. Also läuft es auf die Karte hinaus. Für uns geht es darum, den Kunden attraktive Angebote zu schnüren. Damit sie bei uns gut laden können, und auch um ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen.
Wie stark bekommen Sie den aktuellen Trend nach ökologisch ausgewogenen Firmenflotten zu spüren?
In der Logistikbranche ist es gerade der Haupttreiber. Amazon wirbt zum Beispiel sehr plakativ mit seiner grünen Flotte. Es betrifft die ganze Branche, dass die Unternehmen ihre Nachhaltigkeit gegenüber den Kunden ausweisen müssen. Das geht, wie wir alle wissen, durch batteriebetriebene Fahrzeuge – geladen mit 100 Prozent grüner Energie – sehr gut
Wie können Sie den Logistikern vermitteln, dass die Ladeleistungen und die Ladezeit an den Säulen mitunter schwer zu koordinieren sind?
Angefragt wird viel. Stichwort Reservierung: Unser Fahrer kommt heute um 11.34 Uhr und möchte für 25 Minuten laden. Da müssen wir allerdings ehrlich sein. Technisch könnte sich das lösen lassen – für relativ viel Geld. Doch wenn die reservierte Ladesäule, von wem auch immer, zu diesem Zeitpunkt blockiert wird, nützt die Reservierungsfunktion nicht. Wir können jedoch selbstbewusst sagen: Unsere Ladeparks sind so groß dimensioniert, dass ich im Regelfall immer genügend Ladesäulen zur Verfügung habe und nicht warten muss.
Wie präzise funktioniert das über Software gesteuerte Routing, das die Ladestopps entlang der Fahrstrecke errechnet und entsprechend kommuniziert?
Auch das ist ein Aspekt, der speziell die Logistiker interessiert. Denn sie möchten nicht nur von A nach B, sondern weiter nach C, D, E und F – und dann wieder zurück nach A. Im Idealfall optimiert mit dem Ladenetz für ihre Elektrofahrzeuge. Wir haben vor kurzem eine erste Navigationslösung auf unserer Webseite publiziert. Sie ist nicht auf Logistikflotten zugeschnitten, doch zumindest ein erster Schritt.
Konzerne wie Stellantis oder Ford werben bereits mit Komplettlösungen für das Management des Fuhrparks. Können die Ladestromanbieter in solchen Programme integriert werden?
Das wäre das Zielbild. Da sind wir auf der gemeinsamen Reise mit unserem jeweiligen Partner. Unsere Kerndienstleistung ist das Laden. Natürlich möchten wir jedem Partner helfen, unser Netzwerk zu integrieren, um den Fuhrpark optimal mit Strom zu versorgen.
Die Verantwortlichen von Firmenflotten legen Wert auf verlässliche Daten und Zahlen, um seriös zu kalkulieren. Wie können Sie diesen Kunden nachhaltige Klarheit an den Ladepunkten und verlässliche Strompreise garantieren?
(lacht) Ich hatte gerade den monatlichen Call mit unseren Energieeinkäufern. Wir tauschen uns immer aus, um zu eruieren, wie sich der Energiemarkt entwickelt. In der Vergangenheit hatten wir auch Zwölfmonatsverträge mit unseren B2B-Partnern, bei denen der Strompreis stabil war. Wir erinnern uns an die 29-Cent-Tarife – davon haben unsere B2B-Partner und auch die Endkunden profitiert. Ab dem Zeitpunkt des Angriffs auf die Ukraine stiegen die Energiepreise und Ionity hatte das Nachsehen. Aktuell machen wir Monatsverträge mit unseren B2B-Partnern, die wir individuell anpassen können. Wir hätten genauso wie die Fuhrparkmanager gerne klare Fakten, doch das gestaltet sich am Energiemarkt schwierig. Unser Motto lautet deshalb: lieber kurzfristig und zu attraktiven Konditionen.
Werden die Preismodelle für ihre Geschäftskunden pauschal ermittelt oder individuell angepasst?
Wir haben im B2B-Bereich wie im Geschäft mit den Endverbrauchern die passenden Angebote für jedes Kundenprofil. Als Flottenmanager kann ich einen Tarif wählen, der eher zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passt, die nur in die Arbeit und zurück fahren – ohne Grundgebühr. Für den Außendienstler, der 40.000 oder 50.000 Kilometer im Jahr fährt, nehme ich besser einen Tarif mit höherer Grundgebühr und sehr niedrigem Kilowattstundenpreis. So habe ich sehr gut planbare Kosten und weiß, dass ich meinen Mitarbeitenden vermutlich preiswerter als mit dem Verbrenner mobil halten kann.
Wie weit ist Plug-and-charge, die schnelle und bequeme Art des Stromziehens?
Plug-and-charge ist der Standard, auf den sich die Branche geeinigt hat. Er ist fahrzeugseitig zum automatisierten Starten von Ladeprogrammen gesetzt. Wir haben ihn bereits implementiert, sind damit einer der ersten Anbieter, der dies flächendeckend ermöglicht. Es ist ein Komfortmerkmal, das die Kunden gerne nutzen.
Ionity hat seine Ladepunkte bislang gezielt entlang der großen Routen in Europa gesetzt. Ist es denkbar, dass sie Ihre Säulen für die Geschäftskunden nun bewusst in Industriegebieten oder sogar auf dem Firmengelände platzieren?
Unser Hauptfokus ist die Langstreckenmobilität an den Autobahnen. In Garching und auch in Parsdorf bei München haben wir vor kurzem erste Hybridstandorte eröffnet: nahe der Autobahn, im Gewerbegebiet und direkt neben Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants. Hier werden die Langstrecke und das städtische Umfeld abgedeckt. Diese Hybridstandorte werden mittelfristig sicher ein Wachstumsfeld bei uns werden. Höchstwahrscheinlich wird es jedoch nicht passieren, dass wir auf ein Firmengelände gehen, das nur von der Firma benutzbar ist.
Wie wird sich der Markt um den Ladestrom für Geschäftsfahrzeuge mittel- und langfristig entwickeln?
Der Lademarkt entwickelt sich sehr dynamisch. Auf der Seite der Ladekarten, wo es heute viele Anbieter gibt, wird es vermutlich eine Konsolidierung geben – und ein paar große Player bleiben am Markt bestehen. Speziell im Flottensegment wird es auch künftig großen Bedarf an Ladekarten geben, da die Firmenkunden eine einheitliche, automatisierte Abrechnung der Ladevorgänge benötigen, analog zu den konventionellen Tankkarten. Es wird von allem ein bisschen geben, nur nicht so fragmentiert wie heute.
Europaweit schnell Strom ziehen
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Die Ionity GmbH mit Sitz in München betreibt ein Netz von Ladeparks für Elektroautos entlang der großen Autobahnen in mittlerweile 24 europäischen Ländern. Renommierte Hersteller wie BMW, Ford, Mercedes und Volkswagen mit Audi und Porsche gründeten 2017 das Joint Venture. Zwei Jahre später stieß die Hyundai Motor Group dazu. 2021 investierten die Anteilshaber und Investment-Gigant Blackrock weitere 700 Millionen Euro, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen. Bis 2026 plant der Ladenetzbetreiber europaweit 1.000 Ladeparks mit 7.000 Ladepunkten eröffnet zu haben. Die bewährten Schnelllader, in erster Linie High Power Charger (HPC) mit Leistungen von bis zu 350 Kilowatt, werden von den Herstellern ABB, Tritium, Eko Energetyka und Alpitronic geliefert. Kunden von Ionity ziehen ausschließlich Ökostrom, der aus regenerativen Energiequellen – Wind, Wasser und Sonne – stammt. Simon Oetter leitet die Business Unit B2B von Ionity. Er verantwortet europaweit das Geschäft mit Mobilitätsdienstleistern, Ladekartenanbietern und Autoherstellern, entwickelt zusammen mit seinem Team maßgeschneiderte Tarife und Produkte für Geschäfts-und Flottenkunden.
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