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E-Autos: Spielball der Politik

  • Autorenbild: Hartmut Schumacher
    Hartmut Schumacher
  • 31. Okt. 2024
  • 6 Min. Lesezeit

Die Kosten von Elektroautos sind auch von politischen Entscheidungen abhängig. Eine Entscheidung der Europäischen Union und eine Entscheidung der deutschen Regierung werden die Kosten für einige Fahrzeuge erhöhen und die Kosten anderer Fahrzeuge verringern. Konkret geht es um Zusatzzölle für Elektroautos aus China und um veränderte Bedingungen für Steuervergünstigungen.


Extrazölle für Importe aus China


Die EU-Kommission plant, in Zukunft zusätzliche Zölle für Elektroautos zu erheben, die aus China importiert werden. Ursprünglich sollten diese sogenannten Ausgleichszölle rückwirkend ab dem 5. Juli 2024 gelten. Allerdings musste die Kommission Mitte August feststellen, „dass die rechtlichen Voraussetzungen für die rückwirkende Erhebung der Zölle nicht erfüllt sind“. Folglich werden diese Abgaben erst gültig, wenn die EU-Mitgliedsstaaten darüber abgestimmt haben – spätestens am 30. Oktober dieses Jahres.

Wie kommt die EU-Kommission auf die Idee, dass zusätzliche Zölle für chinesische Elektroautos nötig sind? Der Grund dafür liegt im raschen Anstieg niedrigpreisiger Elektrofahrzeuge, die China in den vergangenen Jahren nach Europa exportiert hat.


Seit Herbst 2023 untersucht die EU-Kommission die Gründe für diese niedrigen Preise. Nach Angaben der Kommission sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der Europa hergestellte Modelle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erläuterte bei der Ankündigung der Untersuchung: „Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt.“ Auf der Grundlage ihrer Untersuchung kam die EU-Kommission zu dem Schluss, dass entlang der Wertschöpfungskette für Elektrofahrzeuge in China unfaire Subventionierungen vorliegen und der Autoindustrie in der EU dadurch wirtschaftlicher Schaden droht.


Parallel zu den Vorbereitungen für die Erhebung der Ausgleichszölle führt die EU weiter Verhandlungen mit China, um „gegen die festgestellten schädigenden Formen der Subventionierung Abhilfe zu schaffen“. Sollte dies erfolgreich sein, müssten die zusätzlichen Zölle nicht erhoben werden.


Unterschiedliche Zollhöhen


Schon bisher werden für importierte Elektroautos herstellerunabhängig Zölle von zehn Prozent fällig. Die neuen Ausgleichszölle würden zusätzlich erhoben.

Für die drei chinesischen Hersteller, die in die Stichprobe der Untersuchung einbezogen wurden, gelten folgende unternehmensspezifische Zölle, die sich nach der Höhe der erhaltenen Subventionen richten:

BYD: 17,0 Prozent

Geely: 19,3 Prozent

SAIC: 36,3 Prozent


Für das Unternehmen Tesla, das Autos auch in China herstellt und exportiert, wurde der Zollsatz auf neun Prozent festgesetzt. Für andere chinesische Hersteller, darunter das chinesisch-deutsche Gemeinschaftsunternehmen SAIC Volkswagen, die sich an der Untersuchung beteiligt haben, gilt ein Zollsatz von 21,3 Prozent. Für Unternehmen, die sich nicht an der Untersuchung beteiligt haben, wurde dagegen ein Zollsatz von 36,3 Prozent festgelegt.


Reaktionen aus Fernost


China betrachtet dies naturgemäß anders als die EU-Kommission. Die chinesische Handelskammer beispielsweise zeigt sich „schockiert und zutiefst enttäuscht“: Die Wettbewerbsfähigkeit von chinesischen Elektrofahrzeugen werde nicht durch Subventionen erreicht, sondern durch Faktoren wie Fertigung in industriellen Maßstäben, umfassende Vorteile in der Lieferkette und intensiven Marktwettbewerb. „Der ungerechtfertigte Einsatz handelspolitischer Instrumente durch die Europäische Kommission, um den freien Handel mit Elektrofahrzeugen zu behindern, wird [...] letztlich die Widerstandsfähigkeit der europäischen Elektrofahrzeugindustrie schwächen, die Wettbewerbsgleichheit zerstören und den grünen Wandel in der EU selbst untergraben. Darüber hinaus wird es die Handelsspannungen zwischen China und der EU verschärfen und ein äußerst negatives Signal für die globale Zusammenarbeit und die grüne Entwicklung aussenden.“


„China wird alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um seine legitimen Rechte und Interessen zu schützen“, kündigte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums an. Wie dies aussehen könnte, verrät eine weitere Äußerung der chinesischen Handelskammer, derzufolge China als Gegenmaßnahme seine Zölle auf importierte Großmotorfahrzeuge auf bis zu 25 Prozent anheben könnte, was Auswirkungen auf einige europäische Automobilhersteller hätte, die vom chinesischen Markt abhängig sind. China war im Jahr 2023 – laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) – nach den USA und dem Vereinigten Königreich der drittgrößte Exportmarkt für Pkw aus Deutschland.


Elektroauto-Importe nach Deutschland: Herkunftsländer - China hatte im Jahr 2023 bei den nach Deutschland importieren Elektroautos einen Marktanteil von 29 Prozent. Südkorea kam auf 9,9 Prozent und Tschechien auf 9,3 Prozent. – Im Jahr 2022 betrug der chinesische Anteil erst 12 Prozent und im Jahr 2020 7,7 Prozent. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Elektroauto-Importe nach Deutschland: Veränderung zum Vorjahr - Die Zahl der aus China importierten Elektroautos ist wegen der schwachen Nachfrage in den ersten vier Monaten des Jahres 2024 gegenüber denselben Monaten des vergangenen Jahres um 15,7 Prozent gesunken. Tschechien (-31, 3 Prozent) und Südkorea (-51, 3 Prozent) mussten jedoch weit mehr Federn lassen. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

EU gespalten


Die deutsche Regierung bewertet die angekündigten Ausgleichszölle differenziert. Bundeskanzler Olaf Scholz erläutert: „Natürlich müssen wir unsere Wirtschaft vor unfairen Handelspraktiken schützen.“ Aber: „Idealerweise mit einvernehmlichen Lösungen“. Länder wie Frankreich, Spanien und Italien dagegen befürworten die Zölle. Österreich verhält sich vorsichtig neutral.

Die deutsche Automobilindustrie, die eigentlich durch die Ausgleichszölle geschützt werden soll, scheint wenig begeistert: Die zusätzlichen Zölle sind laut der VDA-Präsidentin Hildegard Müller ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit. „Durch diese Maßnahme wächst das Risiko eines globalen Handelskonfliktes weiter an. Fakt ist außerdem: Ausgleichszölle für aus China importierte E-Pkw sind nicht geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken. [...] Der potenzielle Schaden, der von den jetzt angekündigten Maßnahmen ausgehen könnte, ist womöglich höher als der mögliche Nutzen für die europäische – und insbesondere die deutsche – Automobilindustrie.“


„Es ist entscheidend, die negativen Auswirkungen auf deutsche Unternehmen so gering wie möglich zu halten.“

Das Ausmaß und die Art und Weise von Subventionen in China seien eine Herausforderung. „Auch die chinesische Regierung ist daher jetzt dazu aufgerufen, mit Blick auf die Faktenlage Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Es wäre zielführend, wenn wir es schaffen, die bestehenden Herausforderungen im Dialog zu meistern und dabei primär partnerschaftliche Formate und Lösungen anstreben. Wichtig dabei: Es liegt auch an China, mit konstruktiven Vorschlägen auf Europa zuzugehen sowie wettbewerbsverzerrendes Verhalten konsequent und schnell zu stoppen, um so eine Ausweitung von Handelskonflikten zu vermeiden. Positiv ist, dass die EU-Kommission hier bereits ein entsprechendes Gesprächsangebot unterbreitet hat.“


Die zusätzlichen Einfuhrzölle auf Elektroautos aus chinesischer Produktion werden nach Einschätzung von Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), „auch für die deutsche Wirtschaft nicht folgenlos bleiben“. Durch chinesische Gegenmaßnahmen drohten auch deutschen Betrieben neue Handelshemmnisse. „Es ist entscheidend, die negativen Auswirkungen auf deutsche Unternehmen so gering wie möglich zu halten und am Verhandlungstisch weiterhin gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um eine weitere Eskalation im Handelskonflikt zu vermeiden.“


Deutsche Autoexporte im Jahr 2023: Die erfolgreichste chinesische Pkw-Marke in Deutschland war im Jahr 2023 SAIC (mit 21.232 Neuzulassungen), gefolgt von Smart (6.719), Great Wall Motor (4.660) und BYD (4.139). (Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt)


Es sei richtig, dass die EU chinesische Wettbewerbsverzerrungen konsequent angehe. Denn diese würden auch immer mehr zum Problem für hiesige Unternehmen. „Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist es allerdings wichtig, bei handelspolitischen Antworten mit Bedacht vorzugehen und negative Auswirkungen auf den heimischen Standort zu minimieren.“


Es gelte, eine Balance zwischen notwendigen Schutzinteressen und der für unsere Exportwirtschaft wichtigen Offenheit zu wahren. „Handelspolitische Schutzinstrumente wie Ausgleichszölle sind dabei die Ultima Ratio und sollten es auch bleiben.“



Deutsche Autoexporte im Jahr 2023: 2023 hat Deutschland 216.299 Pkw nach China exportiert. Damit ist China für diese Fahrzeuge der drittwichtigste Abnehmer nach dem Vereinigten Königreich und den USA. Insgesamt konnte Deutschland im Jahr 2023 3.110.791 Pkw exportieren. Davon 1.778.166 nach Europa, 574.247 nach Asien, 506.325 nach Amerika, 55.413 nach Australien und 40.223 nach Afrika. (Quelle: Verband der Automobilindustrie)

Auswirkungen der Zölle


Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und das Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) haben mit Hilfe von Simulationen eines Handelsmodells die Auswirkungen der zusätzlichen Zölle berechnen lassen. Die Ergebnisse: Die Importe von Kraftfahrzeugen aus China werden um 42 Prozent zurückgehen. Dieser Rückgang wird größtenteils durch höhere Verkäufe europäischer Produzenten in der EU ausgeglichen und teilweise durch höhere Einfuhren aus Drittländern.


Die Auswirkungen der Ausgleichszölle auf die Autopreise wird aber langfristig nur geringfügig sein. In der EU werden die Preise für Elektroautos voraussichtlich um durchschnittlich 0,3 bis 0,9 Prozent steigen. Kurzfristig allerdings könnte es zu größeren Preissteigerungen kommen.

„Die Wertschöpfung in der EU-Autoindustrie wird voraussichtlich um 0,4 Prozent steigen, während sie in China um 0,6 Prozent sinken wird“, prognostiziert Julian Hinz, Forschungsdirektor Handelspolitik am IfW Kiel. Die erwartete Wohlstandserhöhung in den meisten EU-Ländern werde mit weniger als 0,01 Prozentpunkten kaum spürbar sein.


Vorteil für Käufer von E-Autos


Im Dezember 2023 hat die Bundesregierung die Förderung des Kaufs von Elektrofahrzeugen relativ abrupt beendet. Dies hatte deutliche Folgen für den Absatz derartiger Autos: Laut dem Kraftfahrt-Bundesamt wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres 184.125 rein elektrische Pkw neu zugelassen – 16,4 Prozent weniger als im selben Zeitraum 2023.


Blickt man auf die Zahlen des Monats Juli, sieht der Unterschied sogar noch dramatischer aus: Mit 30.762 Neuwagen kommt der Juli 2024 auf 36,8 Prozent weniger Fahrzeuge als derselbe Monat des Jahres 2023. Zum Vergleich: Die Anzahl der neu zugelassenen Pkw allgemein – also unabhängig von der Antriebsart – sank von Juli 2023 bis Juli 2024 lediglich um 2,1 Prozent.


Mit solchen Zahlen lässt sich die Verkehrswende nicht schaffen. Daher hat die Bundesregierung in der Wachstumsinitiative, die im Juli zusammen mit dem Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 beschlossen wurde, zwei Maßnahmen vorgesehen, die eine finanzielle Entlastung für Käufer von Elektroautos darstellen. Private Käufer allerdings spüren davon nichts. Die Maßnahmen richten sich an Unternehmen und an die Benutzer von Dienstwagen.


Neue Sonderabschreibung


Die erste Maßnahme: Für Unternehmen wird rückwirkend zum 1. Juli 2024 eine Sonderabschreibung für neu zugelassene vollelektrische Fahrzeuge eingeführt, welche die Anschaffung dieser Fahrzeuge „deutlich attraktiver macht“. Die Sonderabschreibung gilt für Neuzulassungen bis Ende 2028.


Konkrete Details dieser Sonderabschreibung sind noch nicht bekannt. Prinzipiell soll sie es Unternehmen ermöglichen, die Anschaffungskosten von Elektrofahrzeugen schneller steuerlich abzusetzen.


Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erläuterte in seinem Vortrag zum Haushalt 2025: „Die etwas auf einen Impuls wartende Automobilindustrie bekommt durch unsere Beschlüsse noch einmal einen Push. Das kann das Klima gut gebrauchen, das kann die deutsche Automobilwirtschaft gut gebrauchen.“


Steuerliche Vergünstigung


Bei der zweiten Maßnahme aus der Wachstumsinitiative geht es um die Dienstwagenbesteuerung für Elektrofahrzeuge. Wer von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt bekommt und kein Fahrtenbuch führen möchte, muss ein Prozent des Bruttolistenpreises als geldwerten Vorteil versteuern. Zumindest dann, wenn es sich um ein Verbrennerfahrzeug handelt.

Bei Elektrofahrzeugen dagegen sind es lediglich 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises. Der Bruttolistenpreis darf jedoch maximal 70.000 Euro betragen. Andernfalls müssen 0,5 Prozent davon versteuert werden. Dieser Maximalpreis wird durch die Wachstumsinitiative nun angehoben: Nachdem er Anfang 2024 bereits von 60.000 auf 70.000 Euro erhöht wurde, soll er nun 95.000 Euro betragen.


Importierte Elektroautos aus China: Im Jahr 2023 wurden 129.800 Pkw im Wert von 3,4 Milliarden mit reinem Elektroantrieb aus China nach Deutschland importiert. Das ist etwa dreimal so viel wie im Jahr 2022 – und sogar zehnmal so viel wie im Jahr 2020. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Zeichen für die Industrie


VDA-Präsidentin Hildegard Müller bewertete die Maßnahmen der Wachstumsinitiative positiv: „Sowohl die geplante Sonderabschreibung für neu zugelassene vollelektrische und vergleichbare Nullemissionsfahrzeuge als auch die Erhöhung des Deckels für den Bruttolistenpreis bei der Dienstwagenbesteuerung für E-Fahrzeuge können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Hochlauf der E-Mobilität zu beschleunigen.“


Tanja Gönner, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie ist dagegen etwas skeptischer: „Die beabsichtigten Neuerungen im Bereich der Elektromobilität sind zwar ein richtiges, wenn auch nur ein zaghaftes Signal für ihren weiteren Hochlauf.“



Bild: BMWK / Dominik Butzmann

Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz


... fasst zusammen, was die Autoindustrie und die Elektrofahrzeugkäufer von der Wachstumsinitiative und vom Haushaltsentwurf 2025 erwarten dürfen: „Wir geben der Elektromobilität einen weiteren Schub mit Sonderabschreibungen.“

 
 
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