Wallbox und mehr: ABL-Chef Ferdinand Schlutius erklärt, warum das traditionsreiche Unternehmen sein Angebot nachhaltig vergrößern wird.
Vor gut einem Jahr mussten Sie Insolvenz anmelden, nun präsentieren Sie neue Produkte. Wie haben Sie den Umschwung geschafft?
Ferdinand Schlutius: Den Turnaround haben wir mit der Übernahme durch Wallbox Chargers geschafft. Während der Eigenverwaltung führten wir viele Gespräche – bei diesem Partner funkte es von Anfang an. Es gab bereits beim ersten Treffen diesen Klick, was speziell bei den neuen Märkten sehr wichtig ist. Wallbox Chargers ist eine stabile Gruppe, mit deren Einstieg wir auch bei uns wieder die Stabilität und die Kontinuität erreicht haben, für die wir traditionell stehen. Wenn wir unsere Portfolios übereinander legen, ist schnell zu erkennen: Da gibt es große Synergien.
Wie konnten Sie das spanische Unternehmen überzeugen, große Teile Ihres Betriebsvermögens zu übernehmen?
Das hauptsächliche Argument war die geteilte Vision der Elektromobilität. Wallbox ist sehr stark im Homecharging und im DC-Charging. Wir haben uns in den vergangenen Jahren auf das Laden im halböffentlichen Bereich konzentriert. Am Ende des Tages braucht der Markt alles. Wir haben die Chance darin gesehen, die Produktportfolios und die entsprechenden Märkte zusammenzulegen. Wallbox Chargers ist global aufgestellt. Wir bei ABL haben im Segment der Elektromobilität immer den Fokus auf Europa gelegt, speziell auf Zentral- und Nordeuropa. Das ergänzt sich gut und wir haben umgehend kommuniziert, dass sich ABL auf den Bereich DACH konzentriert und Wallbox sich als Brand aus diesem Markt zurückzieht. Dafür sind wir im Bereich Connectivity, unter anderem mit unserem neuen Schuko-Programm, weltweit verantwortlich.
ABL ist seit 101 Jahren als erfolgreiches Elektrounternehmen im Familienbesitz. Welches Potenzial sehen Sie mittel- und langfristig für die Firma?
Mit ABL als Teil der Wallbox-Gruppe möchten wir einen erheblichen Teil zur Energiewende beitragen. Wir sind hier gut aufgestellt. Auch bezogen auf die Connectivity-Produkte sehen wir – speziell durch die globale Ausrichtung von Wallbox – erhebliches Potenzial. Die Produktgruppen befruchten sich gegenseitig. ABL hat vor zwei Jahren die eigene Typ2-Ladesteckdose entwickelt. Das ist eine extrem wichtige Komponente, die tagtäglich im Einsatz ist. Sie muss einiges aushalten. Mit unserer Erfahrung im Segment der Steckverbindungen können wir hochwertige Komponenten einbringen.
Im Zuge der Turbulenzen mussten Sie im vergangenen Jahr zahlreiche Stellen abbauen. Wie ist ABL derzeit strukturiert?
Unsere Organisationsstruktur ist unverändert. Das heißt, wir entwickeln und produzieren hier am Standort, mit unserem eigenen ABL Sales und Customer Service verkaufen wir die Produkte und bieten auch den entsprechenden After-Sales-Service. Ein wenig minimiert, jedoch in der gleichen Struktur.
Wie kann ABL nachhaltig von der großen Transformation profitieren?
Grundsätzlich sehen wir die Zukunft elektrisch. Für uns als Gruppe sehe ich Möglichkeiten, weil wir uns traditionell genau in diesem Markt bewegen. Ich sehe auch die große Chance, unser Portfolio auszubauen – vom Komponentenlieferant mehr zum Lösungslieferant zu werden. Dahinter sehen wir auch eine Sinnhaftigkeit: möglichst einfach nachhaltige Energielösungen anzubieten. Nicht nur in Form von Hardware, sondern auch in Form von guten Services. Da ist die Reise noch lange nicht zuende. Da können wir technologisch noch viel weiter entwickeln und dem Markt noch viele neue Lösungen bieten.
Wie anspruchsvoll ist es, den Qualitätsanspruch, für den ABL seit jeher steht, in diesem hart umkämpften Markt zu halten?
Höchste Qualität ist unser Anspruch. Wir wissen, dass die Produkte diese Qualität haben müssen. Wir sehen jedoch auch, dass zudem die Lösungen auf dem entsprechenden Niveau bedeutend sind. Klar, wir widmen uns bereits seit 13 Jahren der Elektromobilität, die allerdings immer noch in den Kinderschuhen zu stecken scheint. Für viele ist es Neuland. Wir erleben es tagtäglich, wie wichtig es ist, Vertrauen zu den Kunden aufzubauen, damit sie sich trauen, diesen Invest zu tätigen. Sie müssen sich auf diesem Weg nicht alleine fühlen. Wir sind seit 101 Jahren ein Familienunternehmen. Man kennt uns, man kann uns hier auch erreichen. Ich bin davon überzeugt, dass die Kunden dies spüren.
Ist die Wallbox ABL Pulsar, die Sie in diesem Frühjahr auf den Markt gebracht haben, bereits das Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem spanischen Partner?
Richtig. Es unterstreicht die Synergien im Produktportfolio. Mit der ABL Pulsar haben wir die Möglichkeit, unseren Kunden im deutschsprachigen Raum eine State-of-the-art-Lösung im Bereich Homecharging anzubieten. Eine gute Hardware, klein und schick, die sehr viel mehr kann als das einfache Laden. Über unser Energiemanagement kann etwa ein PV-Überschussladen generiert werden. Auch die Abrechnung des Dienstwagens ist möglich. Gepaart mit einer attraktiven App, die es dem Endkunden ermöglicht, jederzeit Zugriff auf die Wallbox zu erlangen und die wichtigsten Informationen direkt erhalten zu können.
Wie ist dieses neue Produkt für die privaten Haushalte angenommen worden?
Das Feedback ist durchweg positiv. Normalerweise rufen die Leute ja nur an, wenn etwas nicht funktioniert. Doch vergangene Woche hat sich ein Installateur gemeldet, der die Wallbox in voller Ausstattung eingebaut und in nur zehn Minuten komplett konfiguriert hatte. Er meinte, es sei fast unheimlich, wie schnell und einfach es lief. Ein gutes Beispiel für uns, denn genau da müssen wir hinkommen – dass die Produkte intuitiv installierbar und konfigurierbar sind. Damit der Installateur und auch die Endkunden positive Ladeerlebnisse haben.
Planen Sie auch neue Modelle für das Segment der Geschäftskunden?
Das aktuelle Modell, die Wallbox eM4, ist das Produkt im halböffentlichen Bereich. Sie ist die perfekte Lösung für das Laden am Firmenstandort, in Parkhäusern oder auf großen Parkplätzen vor Supermärkten, deren Software wir stetig weiter entwickeln und über Updates zudem aktualisieren. Wir arbeiten jedoch auch an weiteren Lösungen. Noch in diesem Jahr werden wir unsere eichrechtskonforme DC-Ladesäule auf den Markt bringen – die ABL Supernova 220. Zudem werden wir, ebenfalls im vierten Quartal, unser eigenes Energiemanagement Sirius auf den Markt bringen. Es verbindet alles miteinander – zum Beispiel den DC-Charger Supernova und die eM4 – und sorgt im ersten Schritt für das optimale Energiemanagement. In weiteren Schritten werden auch Energiespeicher und Wechselrichter diverser Hersteller eingebunden. So können wir mit unseren Lösungen das komplette Ökosystem abdecken. Darauf freuen wir uns, weil wir dann alles aus einer Hand anbieten können – und auch alles aus einem Guss entwickelt worden ist. Der Ladepunkt kommt heute oft in Zusammenhang mit einem guten Abrechnungssystem und dem Energiemanagement, das den Speicher mit integriert. Da können wir technologisch richtig auftrumpfen.
ABL hat demnächst tatsächlich auch eine Schnellladesäule im Programm?
Genau. Die ABL Supernova wird es in verschiedenen Leistungsklassen zwischen 75 und 220 Kilowatt geben. Wir sehen einen Bedarf im halböffentlichen Bereich, oftmals wird ein Mix aus AC- und DC-Ladern angefragt. Da nenne ich gerne uns, also ABL, als Beispiel. Wir haben natürlich viele AC-Ladepunkte installiert, an denen unsere Mitarbeiter, auch Gäste und Kunden Strom ziehen. Dennoch besteht hin und wieder der Bedarf, dass es schneller geht, weil etwa ein Lieferant einen Zweistundentermin hier hat. Dafür ist die Supernova das perfekte Produkt, der Lieferant kann dann wieder mit einem vollen Akku vom Hof fahren. Hier reicht vielleicht die 75-kW-Version, im öffentlichen Bereich kommt eher die 220-kW-Variante zum Einsatz.
Was erwarten Sie von den politischen Entscheidungsträgern im Hinblick auf den Verkehrs- und Energiewandel?
Wir würden uns über klar formulierte Ziele freuen, über eine klare Richtung. Allein, dass gerade wieder die Fristen für die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren öffentlich diskutiert werden, wirkt kontraproduktiv, weil es erneut zu Verunsicherung führt. In der Wirtschaft steckt viel Psychologie. Wir Deutschen haben weiterhin die Chance, Vorreiter in wichtigen Technologien zu sein. Dazu braucht es den Mut, die Dinge auch anzugehen.
Mit welchem Vorsatz starten Sie in das Geschäftsjahr 2025?
Volle Kraft voraus, so lautet unser Motto. Die Zukunft ist elektrisch. Wir hatten eine harte Phase im vergangenen Jahr. Aus meiner Sicht sind wir gut durchgekommen. Mit Wallbox Chargers haben wir einen starken Partner, und wir haben durchgehend neue Produkte auf den Markt gebracht, was uns heute beflügelt. Jetzt kommen weitere Produkte dazu. Damit können wir dem Markt attraktive Lösungen bieten. Wir alle sind E-Mobilisten. Es macht uns großen Spaß, neue und bessere Lösungen zu vertreiben.
Mehr als 100 Jahre unter Strom
Die ABL GmbH mit Sitz im fränkischen Lauf an der Pegnitz bietet Produkte und Lösungen im Bereich der Elektromobilität. Firmengründer Albert Büttner entwickelte 1925, zwei Jahre nach dem Start seines Unternehmens, den Schuko-Stecker, der heute als der weltweit meistverbreitete Standard für Steckvorrichtungen gilt. Seit 2011 produziert ABL Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Anfangs Wallboxen für den privaten Bereich, zuletzt konzentriert auf den halböffentlichen Bereich. Nach eklatantem Einbruch des Umsatzes, auch bedingt durch den Wegfall des staatlichen Förderprogramms für die Ladepunkte und den schleppenden Fortschritt der Verkehrswende, musste der Traditionsbetrieb im vergangenen Sommer Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden. Bereits im vergangenen Herbst konnte ein tragfähiges Modell für das Fortbestehen präsentiert werden. Wallbox Chargers, ein börsennotiertes Unternehmen aus Barcelona, übernahm für 15 Millionen den Großteil des Betriebsvermögens von ABL. Die neue Produktionslinie war auch während der Sanierungsphase durchgehend in Betrieb, die dort gefertigten Ladestationen wurden wie vereinbart an die Kunden ausgeliefert.
Gut und sicher
Der 1925 von Unternehmensgründer Albert Büttner entwickelte Schuko-Stecker gilt heute weltweit als Standardmodell.
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