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AutorenbildArmin Grasmuck

Ionity-Chef Marcus Groll im ELECTRICAR-Interview

Ionity-Chef Marcus Groll erklärt den europaweit konsequent und groß angelegten Ausbau des Netzes von Schnellladesäulen – und warum er die Zwischenstopps zum Strom ziehen beruflich wie privat zu schätzen weiß.

ie sind mehr als 1.000 Kilometer mit dem Elektroauto aus München angereist, um bei der Eröffnung des neuen Ladeparks in Rousset dabei sein zu können.

Interview in Südfrankreich: Marcus Groll (rechts), COO von Ionity, am neuen Ladepark in Rousset im Gespräch mit electricar-Chefredakteur Armin Grasmuck

Wie war die Fahrt?


Marcus Groll: Ein kleiner Stau gestern, kurz vor Zürich. Heute lief es auf halber Strecke ein wenig zähflüssig. Ansonsten bin ich gut durchgekommen. Es ist empfehlenswert, in den Randzeiten zu fahren. Was die Elektromobilität betrifft: In der Schweiz hat mittlerweile jede Autobahnraststätte leistungsstarke HPC-Ladesäulen – in Frankreich ist fast jede Raststätte entsprechend ausgestattet. Man muss sich über das Laden also keine Gedanken mehr machen.


Wie verliefen die Ladestopps?

(lacht) Es waren ja nicht viele ... Einmal habe ich in Grauholz bei Bern geladen, weil ich dort unseren Ladepark anschauen und auch am Abend essen wollte. Dann habe ich das Auto über Nacht im Hotel in Genf geladen. Und heute noch einmal bei Ionity in Mornas, weil ich mir den Standort ebenfalls ansehen wollte. Es ist ein neuer Ladepark, sehr attraktiv, so wie es sein soll.

Attraktiv und leistungsstark: Der neue Ladepark in Rousset bietet 16 Starkstromsäulen mit bis zu 350 Kilowatt.

Die Anzahl der Ladestationen wächst spürbar, speziell an den großen Verkehrswegen. Was bedeutet es für Sie als Unternehmen, wenn Sie praktisch im Wochenrhythmus neue Ladeparks freigeben können?


Ich bin insbesondere für Rollout und Betrieb der Ladeinfrastruktur verantwortlich. Da ist dies eine der wesentlichen Kenngrößen, nach denen wir und auch unsere Eigentümer schauen: Wie viele Ladeparks haben wir eröffnet? Welches Wachstum haben wir? Speziell in den vergangenen zwei Monaten ging es gut voran – und wir werden in den nächsten Monaten auch nicht nachlassen. Das starke Wachstum wird und muss anhalten, denn unser Ziel ist es, 1.000 Ladeparks bis 2025 in Betrieb zu haben. Jetzt sind wir bei mehr als 500, da ist noch genügend zu tun, deshalb brauchen wir diese hohe Frequenz. In vielen Ländern ist die Nachfrage auch so groß, dass neue Ladestationen dringend benötigt werden.

Feierliche Eröffnung: Marcus Groll (3. von rechts) mit Geschäftspartnern und lokalen Politikern.

Ionity möchte in ganz Europa entlang der großen Autorouten präsent sein. Sind Sie voll auf Kurs? Oder anders herum: Wo hakt es noch?


Ich denke, es war eine große Leistung, die wir in den vergangenen Jahren vollbracht haben. Wir sind 2017 bei null gestartet. Zehn Leute, „Green Field“, wie man so schön sagt. Wir hatten starke Partner, die das Kapital einbrachten. Doch wie man Ladestationen konzipiert und betreibt, das mussten wir erst erarbeiten und aufbauen – das eigentliche Doing, was die Genehmigungsverfahren betrifft, die Auswahl der Technik, IT-Systeme, Abrechnungen und vieles mehr. Das haben wir gut geschafft. Natürlich gibt es weiteres Verbesserungspotenzial, speziell im IT-Bereich haben wir viel vor. Der Markt ist in vielen Ländern so stark angesprungen, dass dieses Wachstum beschleunigt werden muss. Es war einer der Gründe, warum wir vergangenes Jahr Blackrock als sechsten Shareholder an Bord geholt haben.


Sie sind beruflich mit dem Elektroauto bis nach Südfrankreich gefahren. Wären Sie auch bereit, mit der Familie noch weiter bis nach Madrid oder Lissabon in den Urlaub zu fahren?


Absolut. Nur mag es meine Familie nicht so heiß. Wir bleiben lieber in Deutschland, weil es von den Temperaturen angenehmer ist. Langstreckenfahrten mit dem Elektroauto sind in weiten Teilen Europas überhaupt kein Problem mehr. Meine Familie schätzt es auch, dass wir elektrisch fahren, weil wir jetzt mehr Pausen einlegen. Früher, im Diesel, da konnte man von Hamburg nach München einfach durchfahren. Das habe ich auch versucht, bin aber meistens an den biologischen Begebenheiten gescheitert ... (lacht) Man muss also ohnehin hin und wieder anhalten. Das macht die Fahrt angenehmer – und man kommt auch erholter an. Wenn ich beruflich unterwegs bin, nutze ich die Ladezeit bestmöglich. Ich checke E-Mails, trinke einen Kaffee, vertrete mir die Beine, das macht es entspannter.


Autofahrer, die damit befasst sind, auf akkubetriebene Fahrzeuge umzusteigen, plagt oft die Angst vor zu geringen Reichweiten und mangelnder Ladeinfrastruktur. Was entgegnen Sie den Skeptikern?


Es gibt mehr als genug Lademöglichkeiten. Natürlich macht es Sinn, sich als Neueinsteiger vorab zu informieren, wo die Ladesäulen sind. Denn nicht jedes Fahrzeug bildet alle Ladepunkte sauber ab. Das Auto, das ich fahre, macht es mustergültig. Es gibt Apps, zum Beispiel die von Ionity, die genau auflisten, wo Sie die passenden Ladestationen finden können. Ich denke, es ist eher eine psychologische Barriere. Wenn Sie Leute sprechen, die E-Auto fahren, stellen Sie fest: Sie wollen nicht mehr zurück. Sie wissen die moderne Art des Fahrens zu schätzen, weil es komfortabel und auch besser für die Umwelt ist.


Die Herausforderungen für Sie als Anbieter von Ladeinfrastruktur sind von Land zu Land verschieden. Welche Hürden sind am schwierigsten zu überwinden?


Im Spaß habe ich gesagt: Wenn ich in Rente gehe, werde ich ein Buch darüber schreiben. Was wir mit den Genehmigungsbehörden und Stromnetzbetreibern erleben, ist sehr unterschiedlich. Frankreich kann als positives Beispiel genannt werden. Hier haben wir klare und gut strukturierte Prozesse mit den Netzbetreibern und den Behörden. Man merkt: Hier ist es auch von staatlicher Seite gewünscht, die Elektromobilität zu pushen. Es gab die klare Ansage seitens der Regierung: Bis 2023 müssen alle Autobahnraststätten mit Ladesäulen ausgestattet sein. Wenn ich dagegen nach Deutschland schaue, ist die Situation eine andere, weil auch die Struktur anders ist. Es gibt die Autobahn GmbH, die alles verwaltet, sowie Tank & Rast als Verantwortliche für die Rastanlagen. In dieser Gemengelage ist die Entwicklung etwas zögerlicher.


Wie finden Sie heraus, welcher Ort perfekt für einen Ladepark geeignet ist?


Es gibt Standorte, bei denen alle Parameter stimmen. Mittlerweile kaufen wir auch einzelne Grundstücke, die wir für passend halten. Wenn der Netzbetreiber gut aufgestellt ist, also die passende Leistung zur Verfügung stellen kann, und die lokale Gemeinde auch sagt: Tolle Sache, das treiben wir voran. Das ist der Idealfall. Es gibt aber auch Standorte, aus denen wir uns zurückziehen, weil sich das Genehmigungsverfahren zu lange zieht. Natürlich sind wir auch immer wieder mit Umweltauflagen befasst, was auch Sinn macht. Ein aktuelles Beispiel aus Nordostdeutschland: Da ging es um eine Sandeidechse, die noch im Winterschlaf war. Wir durften mit dem Bau nicht starten, solange sie schlief. Als wir anfingen zu bauen, stellte der Umweltbeauftragte fest: Es gab dort gar keine Sandeidechse. So werden Bauprojekte verzögert. Durch die im Allgemeinen stärker ansteigende Elektrifizierung werden die Stromnetze immer bedeutender. Es wird immer mehr eingespeist, von Photovoltaik- oder Windanlagen. Alle kämpfen um die großen Stromnetzanschlüsse. Die Netzbetreiber haben den schweren Job, das alles auszubalancieren. Hier wird im großen Stil digitalisiert, um alles steuern zu können.


Laden bei Ionity ist schnell und komfortabel – mitunter auch preisintensiv. Wie zieht sich der Strom am günstigsten?


Wir sind dabei, neue Preismodelle zu etablieren. Kunden, die sich per Vertrag binden, können von attraktiven Paketen profitieren. Ein Großteil unserer Kunden kommt mit Verträgen, mit denen sie im vergangenen Jahr etwa um die 30 Cent pro Kilowattstunde bezahlt haben. Das war günstiger als der Strom zuhause.


Ist es denkbar, dass Sie mittelfristig auch Ladeparks abseits der großen Routen und in Städten etablieren werden?


Sicher. Wir haben ja schon ein paar derartiger Standorte, zum Beispiel auf Sylt. Wir gehen davon aus, dass es dort neben den Einheimischen auch einige Touristen gibt, die nicht in ihrem Hotel laden können. Gerade sehen wir uns um nach Plätzen, die an den stadtnahen Autobahnen sind. So können wir den lokalen und den Langstreckenverkehr abdecken. Auch Standorte in den Städten prüfen wir. Die Frage ist, welche Leistungsklasse wird dort benötigt. Ein 350-kW-Lader in einem Einkaufscenter, wo ich ohnehin drei Stunden zugegen bin, macht wenig Sinn. Interessanter sind für uns sicherlich die großen Ein- und Ausfallstraßen.

 

Schnell, zuverlässig, und komfortabel laden


Die Ionity GmbH mit Sitz in München betreibt ein Netz von Ladeparks für Elektroautos entlang der großen Autorouten in mittlerweile 24 europäischen Ländern. Renommierte Hersteller wie BMW, Ford, Mercedes und Volkswagen mit Audi und Porsche gründeten 2017 das Joint Venture. Zwei Jahre später stieß die Hyundai Motor Group dazu. 2021 investierten die Anteilshaber und Investment-Gigant Blackrock weitere 700 Millionen Euro, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen. Bis 2025 plant der Ladenetzbetreiber europaweit 1.000 Ladeparks mit 7.000 Ladepunkten eröffnet zu haben. Die bewährten Schnelllader, in erster Linie High Power Charger (HPC) mit Leistungen von bis zu 350 Kilowatt, werden von den Herstellern ABB, Tritium, Eko Energetyka und künftig auch Alpitronic geliefert. Kunden von Ionity ziehen ausschließlich Ökostrom, der aus regenerativen Energie-quellen – Wind, Wasser, Sonne und Bio-masse – stammt. Marcus Groll, der Chief Operating Officer (COO), verantwortet die Geschäfte von Ionity zusammen mit CEO Michael Hajesch. Zuvor war Groll unter anderem als Manager und Projektverantwortlicher bei Porsche, Allego, RWE und Boston Consulting beschäftigt.

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