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AutorenbildKurt Sigl

Kommentar von Kurt Sigl: Höchste Zeit für neue Strategien

Dann kommen die Autos eben aus China“, sagte Gunnar Herrmann, der Aufsichtsratschef des US-Autoherstellers Ford in Deutschland, der Bild-Zeitung. Mit erfreulich klaren Worten hat sich der Manager gerade für die Einhaltung der Klimaziele und die Reform der Fahrzeugindustrie ausgesprochen: „Wir kriegen zu viele Indikatoren in dieser Welt aufgezeigt, dass wir wirklich was ändern müssen.“ Und er erhielt postwendend Applaus, diesmal vom Nachrichtenmagazin Der Spiegel: Wenn der Autoboss im Interview überraschend den Vorwärtsgang einlegt – so lautete hier die Überschrift.


Diese Haltung steht in direktem Gegensatz zu den Nachrichten aus Berlin. In der deutschen Hauptstadt wird nach besten Kräften versucht, den Verbrenner als Antriebstechnologie noch irgendwie zu retten, sei es über E-Fuel-Diskussionen, die Belebung der Innenstädte durch Autoverkehr oder durch das Aufweichen des für 2035 geplanten Verkaufsendes für Neuwagen mit Verbrennungsmotor.


„Wenn Sie an Wohlstand, an Wachstum und an die Zukunft glauben, dann lassen Sie die Ziele, wie sie sind“, so appellierte der Ford-Manager. Andernfalls sei auch der Autoindustriestandort Deutschland als Ganzes in Gefahr.


Dieser Satz lässt sich von außen leichter feststellen, als es von innen erlaubt ist. Wer ihn in Ingolstadt vor zehn Jahren ausgesprochen hat, wurde belächelt oder beschimpft. Kommt die Botschaft aus Detroit, hat sie eine andere Wirkung. Es wird knapp, wir taumeln, es braucht Strategien, womöglich mit ganz neuem Ansatz, Auto und Energie zusammen, und wir benötigen dafür neue Leute, andere Sichtweisen sowie die Freiheit, das Neue auch auszuprobieren.


Ich bedaure den Verlust dieser zehn Jahre. Wo könnten wir heute schon stehen?

Ob das einzuholen ist? Vermutlich nicht. Auch ich glaube an die Vernunft und hoffe auf Tatendrang. Beides wurde bereits enttäuscht. Es verdichten sich die Zeichen, dass von Deutschland kein neuer Autostandort ausgeht.


Was ist also eine sinnvolle Handlung?

Großbritannien wird das Aus des Verbrenners auf 2030 vorziehen. In Paris gibt es jetzt schon ein Dieselverbot für die Innenstadt. In Spanien ist der Solarstrom nachts so billig, dass man der Bevölkerung keine weiteren Erklärungen zu Elektroautos geben muss. Die Schweiz verfügt über ein besseres Netz an öffentlicher Ladeinfrastruktur als an privater. In den USA werden Autozulieferer in sechs Bundesstaaten dabei gefördert, ihre Produktionsanlagen an die Lieferkette für Elektrofahrzeuge anzupassen. Und klar, auch in China ist der Kurs längst definiert.


 

Hier schreibt der Kurt Sigl


Er streitet, poltert und insistiert. Er treibt und verbindet, erklärt und stört. Kurt Sigl ist Experte der Elektromobilität und schickt für jede Ausgabe von electricar eine E-Mail aus Ingolstadt, in der er aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen seiner Branche analysiert und kommentiert. Als Mitbegründer und langjähriger Präsident des Bundesverbandes eMobilität gilt Sigl als Leitfigur auf den Gebieten der Elektromobilität und der erneuerbaren Energie. Der kernige Oberbayer, einst im Dienst von Audi, punktet mit seiner über Jahrzehnte ausgeprägten Expertise und der Gabe, Menschen zusammen zu bringen. Mit Nachdruck arbeitet er daran, traditionelle Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen, um Raum für neue und zukunftsfähige Modelle zu schaffen.

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