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AutorenbildArmin Grasmuck

Merlin Ouboter hat den Microlino entwickelt und stellt sich den Fragen von ELECTRICAR

Merlin Ouboter hat im engen Zusammenspiel mit seiner Familie den Microlino entwickelt. Der quirlige Innovator berichtet, mit welcher Dynamik das elektrische Leichtkraftfahrzeug auf den Markt kommt – und warum es perfekt für den Verkehr im urbanen Raum geeignet ist.



Sie haben vor ein paar Wochen den Microlino, ihren akkubetriebenen und mit großen Vorschusslorbeeren ausgezeichneten Neustarter, offiziell in den Markt eingeführt. Welche Reaktionen sind bei Ihnen angekommen?


Merlin Ouboter: Wir haben unsere Pioneer-Series vorgestellt, mit der wir starten werden. Eine limitierte Auflage von 999 Fahrzeugen, die auch eine Hommage an das Gründungsjahr von Micro – 1999 – darstellt. Kurz darauf haben wir den Konfigurator gestartet. Das war insofern spannend, weil wir zum ersten Mal die konkreten Preise, zumindest für die Schweiz, kommunizieren konnten. Für uns waren es aufregende Momente, denn du weißt ja nie, wie die Kunden reagieren – etwa auf die neue Staffelung mit den unterschiedlichen Editionen. Wir sind positiv überrascht, das Feedback war sehr, sehr gut. Wir haben bislang nur von den Schweizer Kunden die Anzahlungen verlangt. Nach ein paar Tagen waren es mehrere hundert, damit sind wir sehr zufrieden. Unser Fokus liegt jetzt auf den ersten Events mit Probefahrten, damit die Leute das Auto auch testen können. Und im Juli möchten wir die ersten Fahrzeuge an Kunden ausliefern.


Der Microlino war im Herbst auf der IAA in München ein Hingucker, ist als „Knutschkugel“ gefeiert worden. Wie viele potenzielle Kunden haben Sie ausgemacht?


Wir haben rund 30.000 Reservierungen weltweit. Jetzt versuchen wir, diese zuerst in der Schweiz über eine Anzahlung praktisch zu konvertieren. Fast 50 Prozent der Reservierungen sind aus Deutschland, 80 Prozent aus ganz Europa. Das ist unser Kernmarkt, den wir konsequent bedienen möchten. Es erscheint uns gerade zu Beginn sinnvoll, weil hier einheitliche Zulassungsbestimmungen herrschen.


Die gesamte Autobranche befindet sich seit geraumer Zeit im Krisenmodus, hat unter anderem mit Lieferengpässen zu kämpfen. Macht dieses Szenario es für Sie als Neueinsteiger doppelt schwer?


(lacht) Diese Frage stelle ich mir auch immer wieder: Wäre ich lieber ein gestandener Automobilhersteller, oder gerade erst am Start? Ich denke, es ist für alle eine schwierige Situation. Für uns ist es extrem nervig, weil wir ohnehin noch eine ganze Reihe anderer Hürden zu überwinden hatten. Gut ist, dass wir in dieser Phase sehr viel Verständnis von den Kunden bekommen. Für den etablierten Hersteller ist es gerade sicherlich mühsam, die Produktion zu planen – wenn du beispielsweise einzelne Schichten ausfallen lassen musst.


Starke Marke: Bereits seit Ende der 90er-Jahre produziert das Schweizer Unternehmen qualitativ hochwertige Tretroller, inzwischen gibt es auch E-Modelle.

Auf dem Autosalon in Genf haben Sie 2016 das Konzept Microlino erstmals vorgestellt. Was waren die krassesten Höhen und Tiefen auf dem Weg zur Marktreife?


Da gibt es viele, einige definitiv unerwünscht. Es ging ja schon mit einem Tiefschlag los: Wir ließen den Microlino als Showcar in China bauen. Dieses Modell, das wir in Genf präsentieren wollten, kam per Luftfracht nach Zürich. Dort am Flughafen ließ ihn ein Typ auf dem Gabelstapler von der Rampe fallen, unser Auto landete Vollgas auf dem Dach … eigentlich Totalschaden. Das war ein Riesen-Low. Einerseits waren wir so stolz, dass wir es geschafft hatten, unser Auto zu entwerfen und in die Schweiz zu bringen, andererseits: Es war kaputt. Vor Genf waren wir noch auf einer kleineren Messe, da haben wir einfach unser Standdesign angepasst – und den Microlino mit der kaputten Seite an die Wand gestellt. Für die Schlaumeier, die trotzdem rund um das Fahrzeug liefen, hatten wir einen kleinen Zettel angebracht – mit der kurzen Message darauf nach dem Motto „Shit happens“ und einer kurzen Erklärung, was passiert war. Lustigerweise wurde daraus ein kleiner Höhepunkt, weil es von einigen Journalisten aufgegriffen und als positiv bewertet wurde. Bis Genf hatten wir das Showcar dann halbwegs repariert. Schwierig wurde es auch, als wir mitbekommen hatten, dass unser ursprünglicher Produktionspartner in Italien seine Firma an Artega verkaufte. Das war 2019, da haben wir ein ganzes Jahr nur aufgrund von Gerichtsverhandlungen verloren, weil Artega den Microlino kopierte und unter dem Namen Karolino selbst auf den Markt bringen wollte. Darauf folgte allerdings ein weiterer Höhepunkt, denn das Oberlandesgericht in München gab uns zweimal Recht und wir konnten uns schlussendlich außergerichtlich einigen.


Warum ist der Microlino das ideale Fahrzeug für den urbanen Raum?


Stadtfahrzeug – das klingt auch für uns immer wie ein pfiffiger Marketing-Spruch. Denn wenn wir ehrlich sind: In den Städten haben viele kein Auto mehr. Wir wohnen selbst in Zürich und eigentlich brauchen wir kein Auto, als Hersteller ist es für uns jedoch irgendwie ein Muss. Interessant sind für uns die Leute, die im Umland, dem sogenannten Speckgürtel, wohnen. Die hin und wieder in die Stadt fahren wollen, aber keinen optimalen Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel haben. Für sie ist das Fahrzeug ideal, denn du brauchst kein großes Auto, um in die Stadt zu kommen. Du findest leicht einen Parkplatz, und auch bezogen auf die Emissionswerte ist der Microlino das beste autoähnliche Fahrzeug, um in die Innenstadt zu kommen.


Ist der Microlino auch für spontane Landpartien geeignet?


Absolut! Natürlich reichweitenbegrenzt. Doch für den kleinen Trip ins Grüne reicht es aus. Der Kofferraum ist überraschend groß. Viele Leute sind erstaunt, wie viel Platz er bietet. Da passt ein großer Reisekoffer hinein, was bei vielen vergleichbaren Fahrzeugen unmöglich ist. Es besteht also die Möglichkeit, ein paar Mal auswärts zu übernachten, was das Gepäck betrifft.


Ist Ihr Fahrzeug auch eine professionelle Alternative für Gewerbetreibende?


Derzeit fokussieren wir uns auf dieses Modell. Wir können jedoch schon sagen, das wir uns auch intensiv mit anderen Konzepten befassen, in denen es verstärkt um die gewerbliche Nutzung geht. Der Microlino bietet, so wie er ist, schon eine gute Alternative für das Geschäftsleben. Wir denken mehr in Richtung Transport, da haben wir schon ein paar coole Ideen. Was es von uns ganz sicher nicht geben wird, sind Fahrzeuge in der SUV-Kategorie. Wir möchten uns im Segment der Leichtfahrzeuge etablieren.


Klein und fein: Der Microlino neben der Microletta, einem elektrischen Dreiradroller, der mit der Reichweite von 100 Kilometern und 80 km/h in der Spitze erhältlich ist. Basispreis: 4.900 Euro.

Wie erklären Sie sich, dass der Kauf dieser akkubetriebenen Leichtfahrzeuge im Gegensatz zu Elektro- und Hybridautos nicht staatlich gefördert wird?


Wir setzen uns, auch eng abgestimmt mit dem Bundesverband eMobilität, dafür ein, dass es sich ändert. Leichtfahrzeuge erhalten derzeit keinen Umweltbonus. Wir wollen aufzeigen, dass es unsinnig ist. Denn viele Leute, egal ob Politiker oder Kunde, wissen gar nicht, was hier im Argen liegt.


Sie führen das Unternehmen zusammen mit Ihrem Bruder und Ihren Eltern. Ist das neue Fahrzeug auch bei Frühstück oder Abendessen der Dauerbrenner?


Ich würde schon sagen, dass uns dieses Thema konstant begleitet. (lacht) Das war schon immer so, auch in der Zeit vor dem Microlino. Die Firma ist bei uns immer ein Thema, weil sie einfach dazu gehört – wie ein Hobby, das wir mit Passion ausüben.


Wie sind die Rollen verteilt?


Unser Vater ist eher der Anti-Manager, viel mehr der Wirbelwind mit extrem vielen Ideen. Er ist ein guter Stratege, sehr stark im Marketing – und er hat bei Bedarf den Plan B. Ich bin mehr im Bereich Sales und Marketing unterwegs, die Kommunikation teile ich mit meinem Bruder. Er ist mehr der Finanzexperte, hat auch die Lieferketten im Blick. Wir sind in unseren Einsatzbereichen sehr flexibel, das hat sich bewährt.



Bunte Ideen und mehr


Diese eine Strecke – zu weit, um sie zu Fuß zurückzulegen, und zu nah, um das Fahrrad oder sogar das Auto aus der Garage zu holen – brachte Wim Ouboter Ende des vergangenen Jahrhunderts auf die Idee. Ein Tretroller, neudeutsch: Scooter, in höchster Qualität sollte es sein. Es wurde eine Erfolgsgeschichte. Auf den Micro Scooter folgten Kickboard und Co. – und das Familienunternehmen, in dem Wims Frau Janine sowie auch die Söhne Oliver und Merlin mitwirken, floriert. Die Junioren haben inzwischen das Management der Firma übernommen – und sich konsequent der Mobilität von morgen gewidmet. Mirco Scooter bietet heute auch mehrere akkubetriebene Roller an, die neue Microlino AG hat gerade das gleichnamige Leichtelektromobil auf den Markt gebracht.


Neue Knutschkugel


Der Microlino ist der wohl spannendste Neustarter des Jahres in der Leichtfahrzeugkategorie L7e. Der 2,52 Meter kurze, 1,47 Meter schmale und 1,50 Meter niedrige Zweisitzer mit Fronttür ist rein optisch stark an die legendäre Isetta angelehnt, die BMW in den 50er-Jahren in Kooperation mit dem italienischen Kühlschrank- und Fahrzeughersteller Rivolta baute. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten in den internationalen Lieferketten möchte das Schweizer Unternehmen bereits im Juli die ersten Modelle ausliefern. Die 999 Modelle aus der limitierten Edition „Pioneer Series“ sind entweder in Atlantis Blue oder Torino Aluminium lackiert. Der Innenraum ist mit tragbaren Bluetooth-Lautsprechern und einem Mix aus veganem Leder und Alcantara ausgestattet, dazu gibt es ein Faltdach. Die entsprechende Seriennummer der Startedition findet sich ebenfalls im Innenraum. Clou: Jedem Pioneer-Modell ist auch ein Micro E-Scooter beigelegt.


Bildquellen: microlino


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