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Reise zum weißen Gold: So wird in Chile Lithium für E-Autobatterien gewonnen

Lithium wird für die Produktion der Batterien von Elektroautos benötigt. In der chilenischen Atacamawüste kann die Gewinnung des wertvollen Rohstoffs entgegen allen Kritiker nachvollzogen werden – Schritt für Schritt.



Ohne Lichtschutzfaktor 50, langärmlige Kleidung, Sonnenbrille und spezieller Kopfbedeckung geht hier gar nichts: Unerbittlich brennt die Sonne vom Himmel im Salar de Atacama in Chile, in den die Sociedad Quimica y Minera (SQM) zur Besichtigung ihrer Lithiumproduktion eingeladen hat. Wir wollten uns selbst und vor Ort davon überzeugen, wie der oft umstrittene Rohstoff tatsächlich gewonnen wird.


Ein immer wiederkehrender Kritikpunkt: Der hohe Wasserverbrauch bei der Gewinnung von Lithium. Dadurch soll der Wasserspiegel im Salar und der dortigen Lagune, ein Habitat für viele Tiere, bereits gesunken sein. Und er soll noch weiter sinken, so die Befürchtung, was schwerwiegende Folgen für Flora und Fauna sowie die dort lebenden indigenen Gemeinden hätte. Aber stimmt das überhaupt? Oder geht man hier einmal mehr Falschmeldungen notorischer E-Auto-Zweifler auf den Leim? Wir haben es genauer betrachtet – und die Fakten überprüft.


Wichtig ist hierbei die professionelle Differenzierung der verschiedenen Wasserarten, denn im Salar de Atacama ist Wasser nicht gleich Wasser. Und davon gibt es hier, gut 2.300 Meter über dem Meeresspiegel, gleich dreierlei.



Salzkruste seit jeher


Gleich zu Beginn möchten wir mit der ersten Falschannahme aufräumen, wonach es sich beim Salar de Atacama um einen unterirdischen See mit Frischwasser handeln soll. Der Salar ist mehr eine Salzwüste als ein See, dessen Salzkruste vor Millionen von Jahren durch das Verdunsten von Sole entstand, die heutzutage in Hohlräumen im Untergrund zirkuliert.


Sole ist eine wässrige Lösung von Salzen, hier mit knapp 30 Prozent Salzanteil. Es wird angenommen, dass die Sole im Salar de Atacama mit mehr als 250.000 parts per million (ppm; dt. Teile pro Million) eine der höchsten Konzentrationen an gelösten Feststoffen aufweist und sieben bis acht Mal salziger ist als Meerwasser (35.000 ppm).


Hinzu kommt weniger salzhaltiges Wasser am Randgebiet des Salar, das von SQM als Industriewasser für ihre Produktionsprozesse verwendet wird. Dieses Wasser enthält bis zu 4.000 ppm gelöste Salze (TDS), Trinkwasser soll laut der Weltgesundheitsorganisation WHO maximal 1.000 ppm TDS enthalten. Der große Dichteunterschied von Sole und Industriewasser macht zudem eine Vermischung der beiden Flüssigkeiten unwahrscheinlich. In der Regel bleiben sie voneinander getrennt.



Aus den Quellen der Anden


Was die lokalen Gemeinden angeht, so kommen sie mit keiner der beiden Wasserarten in Berührung. Sie decken ihren Bedarf vorwiegend aus dem Oberflächenwasser, Fluss- oder Quellwasser, das aus den Anden entspringt. Die Menschen vor Ort haben sich gemeinhin an Quebradas angesiedelt, Canyons und Schluchten, über die frisches Süßwasser aus Niederschlägen sowie Schnee- und Gletscherschmelzen aus den Anden in tiefer gelegene Region vordringt.

SQM nutzt kein Oberflächenwasser für seine Prozesse. Laut dem Unternehmen besteht kein Wassermangel, der auf die Förderung von Sole für die Lithiumproduktion zurückzuführen ist. Auch seien die verschiedenen Wassersysteme aufgrund ihrer Dichteunterschiede und geografischer Gegebenheiten ohnehin getrennt.


Geringer Verbrauch


Dies bestätigt eine Studie der University of Massachusetts Amherst und der University of Alaska Anchorage. Demnach macht der Lithiumabbau weniger als zehn Prozent des Wasserverbrauchs der Region aus und steht nicht mit Veränderungen der Oberflächenwassereigenschaften und der Wasserspeicherung in Zusammenhang. Laut dem Internationalen Rat für Bergbau und Metalle (ICMM) macht die Bergbauindustrie nur vier Prozent des Wasserverbrauchs in Chile aus. Und damit deutlich weniger als jene 73 Prozent, die in der Landwirtschaft und Viehzucht verbraucht werden.


Die eigentliche Gewinnung von Lithium erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst wird über Brunnen lithiumreiche Sole aus den Tiefen des Salar de Atacama in große, mit Folie ausgekleidete Verdunstungsbecken gepumpt. Wie der Name es vermuten lässt: Den Großteil der Arbeit erledigt dabei die Sonne, die hier fast das ganze Jahr mit voller Wucht auf die Erde strahlt.


In einem 13 bis 16 Monate langen, kontinuierlichen Prozess, in dem die Sole immer dicker wird und mehrere Stadien in unterschiedlichen Becken durchläuft, findet eine Konzentration verschiedener Salze durch Verdunstung statt. Manche Salze werden beim Übergang ins nächste Becken extrahiert und anderen Produktions- oder Lagerprozessen zugeführt.



Zähflüssig bis ölige Sole


Das chemische Zusammenspiel, das von der Zeit in den Becken und der Intensität der Sonne abhängt, ist entscheidend. Am Ende des Prozesses erhält SQM eine Sole, die bis zu sechs Prozent Lithium enthält. Diese lithiumhaltige Sole fühlt sich sehr zähflüssig, gar ölig an. Und hat auch farblich mit der ursprünglichen Sole aus dem ersten Becken so gar nichts mehr gemein


Sämtliche Prozesse zur Lithiumgewinnung werden von mehr als 15 verschiedenen chilenischen Regierungsbehörden, einschließlich der Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsorgane, geregelt und überwacht. Ein Frühwarnsystem verhindert gravierende Auswirkungen auf die Umwelt, die etwa durch das Abpumpen von Sole beziehungsweise Industriewasser entstehen könnten. Ferner hat sich SQM dazu verpflichtet, den Verbrauch von Industriewasser zu senken. Bis 2028 will das Unternehmen 40 Prozent weniger verbrauchen als aktuell. Außerdem soll auch die Soleförderung bis 2030 um 50 Prozent reduziert werden. Aktuelle Daten zeigen, dass SQM auf dem besten Weg ist, dieses Ziel zu erreichen.



Wasser wie für eine halbe Jeans


Die im Salar de Atacama gewonnene, dickflüssige Solelösung wird schließlich zur Produktion von Lithium in ein weiteres Werk in Antofagasta transportiert. In mehreren Arbeitsschritten wird dort aus der Sole das weiße Gold der E-Mobilität quasi herausgekocht. Für das deutlich weniger Wasser verbraucht wird als für andere, teils deutlich kurzlebigere Konsumgüter als Akkus für E-Autos, die mehrere Jahrzehnte halten.


Der deutsche Forscher Maximilian Fichtner, Direktor am Helmholtz-Institut für elektrochemische Energiespeicherung in Ulm, hat im Jahr 2019 ausgerechnet, dass für einen Elektroautoakku mit 64 kWh Kapazität benötigte Lithium nach den damaligen Berechnungsgrundlagen 3.840 Liter Wasser verdunstet werden mussten. Dies entspricht Fichtners Angaben zufolge dem Wasserverbrauch für die Produktion von gut 250 Gramm Rindfleisch, zehn Avocados, 30 Tassen Kaffee oder einer halben Jeans.



 

//Text und Fotos: Sebastian Henßler//


Sebastian Henßler veröffentlich tagesaktuell Beiträge rund um die Elektromobilität auf Elektroauto-News.net sowie auf dem speziellen Lithium-Hub unter elektroauto-news.net/wissen/lithium.

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