Welche Ladesäule darf’s denn sein? Hier finden Neustarter, Umsteiger und professionelle Stromer den passenden Zugang zu frischer Energie für ihr Fahrzeug.
Der starke Trend hält an, und eindrucksvoll sind die Zahlen. Die Autofahrerinnen und Autofahrer, die sich für ein Elektrofahrzeug entschieden haben, wirken hochzufrieden. Vier von fünf können sich keinen Antriebswechsel mehr vorstellen. Dies belegt die aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts Puls im Auftrag der Autoplattform mobile.de. Nahezu alle Besitzer, exakt 97,5 Prozent, sind überzeugt von ihrem Stromer. Speziell im Geschäftsleben steigt der Druck, Dienstwagen und Unternehmensflotten aus ökologischen wie ökonomischen Gründen möglichst zeitnah zu elektrifizieren. Stichwort Strom. Es ist der Aspekt, der Fuhrparkmanagern wie auch Privatpersonen noch zu schaffen macht. Wo lade ich mein batteriegetriebenes Auto am besten auf? Wie geht es am günstigsten? Und wo fließt der Strom am schnellsten? Im Fachlatein: Charging Hub? Flatrate? 30 Cent? 79? AC? DC? CCS? HPC? 11 kW oder 300? Kurzum: Wie finde ich die Ladestation, die zu mir passt?
Wie schwierig es ist, in diesem Gemenge aus Verkehrswende, nachhaltigen Lade- und Kabeloptionen sowie dem Tarifdschungel der zahlreichen Anbieter den Überblick zu behalten, belegen diverse Analysen, die in den vergangenen Monaten veröffentlicht worden sind – und zu Überschriften wie „Abzocke an den Ladestationen“ führten. Fakt ist: Der preisgünstige Strom an den Ladesäulen für Elektroautos ist Geschichte. Inzwischen steigen die Preise flächendeckend an. Es lohnt sich also genau zu prüfen, wo und wie der Akku geladen wird. Nur wer durchblickt, bleibt hier gut im Geschäft.
▲ Ambiente der Zukunft: Moderne Ladestationen sind gut erreichbar, sie bieten Platz für mehrere Fahrzeuge und im besten Fall ein Dach für die Autofahrerinnen und Autofahrer, die sich während des Ladevorgangs die Zeit vertreiben.
Klare Analyse erforderlich
Ob ein E-Auto alltagstauglich ist, entscheidet seine Reichweite. Wer an öffentlichen Ladesäulen frische Energie tankt, gewinnt spürbar an Flexibilität, speziell wenn es darum geht, weitere Fahrstrecken mit dem Stromer zurückzulegen. Klingt logisch und einfach, die verschiedenen Zugangs- und Abrechnungsmodalitäten erfordern jedoch genau wie der Vergleich der diversen Stromtarife die klare Analyse. Für die Auswahl der richtigen Ladestation sind zuallererst die Eigenschaften des Fahrers entscheidend.
52.200 öffentliche Ladepunkte gibt es laut Auskunft der Bundesnetzagentur aktuell in Deutschland. Tendenz stark ansteigend. Es mag positiv klingen, mit Blick auf die explodierenden Zulassungszahlen für Elektrofahrzeuge ist es jedoch eher ein Alarmsignal. Die Bundesregierung rechnet bis zum Jahr 2030 mit sieben bis zehn Millionen E-Autos auf den deutschen Straßen, sie möchte mit mindestens einer Million öffentlicher Ladepunkte deren Stromversorgung sicherstellen. Was bedeutet, dass ab sofort 2.000 neue Ladepunkte pro Woche in Betrieb gehen müssten. In Österreich und der Schweiz gibt es derzeit jeweils knapp 8.000 öffentliche Ladepunkte.
▲ Starke Marke: Ionity – ein Joint Venture, 2017 gegründet von BMW, Daimler, Volkswagen und Ford – bietet ein Netz an Ladestationen entlang der europäischen Autobahnen. (Bild: Audi AG)
Welcher Ladetyp sind Sie?
Die Strategen der Elektromobilität unterscheiden grundsätzlich zwischen dem sogenannten „Notfalllader“, dem „Gelegenheitslader“ und dem „Viellader“.
Der Notfalllader, der beispielsweise in einem Nissan Leaf mit einer Batteriekapazität von 20 Kilowattstunden (kWh) und einer Ladeleistung von 3,7 Kilowatt (kW) unterwegs ist, lädt meistens an der Wallbox in seiner eigenen Garage oder am Arbeitsplatz. Unterwegs bezieht er den Strom nur im Notfall. Seine durchschnittliche Lademenge an öffentlichen Ladestationen beträgt etwa 20 kWh pro Monat, was einer Vollladung seiner Batterie entspricht.
Der Gelegenheitslader ist oft und regelmäßig in der Stadt unterwegs, er lädt sein Elektroauto zwischendurch auch an öffentlichen Ladestationen auf. Seine durchschnittliche Lademenge dort beträgt 50 kWh pro Monat, er zieht den Strom also etwa zweieinhalb Mal im Monat.
Der Viellader ist praktisch durchgehend auf Geschäftsreisen unterwegs und deshalb zwangsläufig auf die öffentlichen Ladestationen angewiesen. Er lädt seinen Stromer im Durchschnitt fünf Mal monatlich, was dem Gesamtvolumen von rund 100 kWh entspricht.
▲ Eine Säule, mehrere Optionen: Die Wahl des Ladekabels, der entsprechenden Ladegeschwindigkeit und der Lademenge entscheidet über die Höhe der zu bezahlenden Gebühren. (Bilder: SMATRICS)
Die Tarife sind oft intransparent
Wer mit dem Elektroauto quer durch Europa unterwegs ist, bekommt es mit einer Vielzahl verschiedener Ladepunkte zu tun. Die meisten sind über ihre eigenen Ladekarten oder Lade-Apps zu benutzen. Allein in Deutschland gibt es derzeit mehr als 300 verschiedene Ladekarten. Wer die jeweilige Karte oder die App nutzen möchte, muss sich im Normalfall zuerst bei dem Betreiber der Ladesäule registrieren. Die Tarife für den Ladestrom sind oft intransparent, auch weil verschiedene Bezahlmöglichkeiten angeboten werden. Prepaid-Tarife oder Preismodelle, die über die Komponenten Zeit, Lademenge, Grundgebühr oder Startgebühr abgerechnet werden.
Manche Stromanbieter verrechnen, wie lange das E-Auto an der Ladestation angeschlossen ist. Hier gilt es zu beachten, dass keineswegs nur die Ladezeit berechnet wird, sondern die gesamte Zeit, die das Fahrzeug an der Säule hängt.
Einige Anbieter stellen die Landemenge, also die bezogenen Kilowattstunden, in Rechnung.
Zusätzlich zu der geladenen Zeit oder Lademenge kann je nach Anbieter eine monatliche Grundgebühr anfallen. Diese ist auch zu bezahlen, falls kein Strom bezogen wird.
Einige Anbieter verlangen die sogenannte Startgebühr, ein einmaliges Entgelt, das für das Beginnen des Ladevorgangs anfällt.
Abhängig vom Betreiber der Ladestation können diese Preiskomponenten auch beliebig miteinander kombiniert werden.
▲ Für Schnellstromer: Die Ladestationen des Anbieters Fastnet werben mit ihren höchst leistungsfähigen Säulen, die bis zu 300 Kilometer frische Reichweite in nur 15 Minuten versprechen.
Die Wahl der passenden Ladekarte hängt neben dem Fahrverhalten auch stark von der jeweiligen Region ab. Für Vielfahrer ist beispielsweise eine Karte mit monatlicher Grundgebühr von Vorteil, weil hier geringere oder – im Flatrate-Modell – gar keine Kosten für die einzelne Ladung anfallen. Für Fahrer, die nur gelegentlich größere Touren unternehmen, ist dagegen eine Prepaid-Karte meist die bessere Wahl.
Roaming-Anbieter: Firmen wie Plugsurfing oder NewMotion möchten das öffentliche Stromtanken einfacher gestalten, indem sie Ladekarten anbieten, die mit möglichst vielen Ladestationen kompatibel sind. In diesem Modell können die Fahrer der E-Autos europaweit die Infrastruktur des eigenen Netzwerks nutzen, erhalten zudem auch Zugang zu den Ladesäulen der Roaming-Partner – ideal für Notfalllader.
Örtliche Stromversorger: Der Energieversorger EnBW bietet beispielsweise den Besitzern von Elektrofahrzeugen eine Lade-App an, mit der sie Ladestationen finden und das Laden bezahlen können. Abgerechnet wird nach der Menge des bezogenen Stroms. Der Standard-Tarif ohne Grundgebühr ist ideal für Gelegenheitsfahrer, um flexibel zu bleiben. Vielfahrer sind mit einer Flatrate am besten unterwegs.
Automobilhersteller: Renommierte Produzenten wie BMW, Volkswagen Renault oder Tesla bieten eigene Systeme zur Abrechnung an, die ausschließlich den Fahrzeugen der jeweiligen Marke vorbehalten sind. Sehr komfortabel sind die SuperCharger von Tesla, die direkt angefahren und genutzt werden können. Abgerechnet wird über das Nutzerkonto bei Tesla, das die Kunden bereits beim Kauf des Autos eingerichtet haben.
Plug & Charge: Ein neuer Ansatz geht über den sogenannten Standard ISO 15118, der das Auto selbst zur Geldbörse und das mitunter nervenaufreibende Hantieren mit Karten und Apps überflüssig macht. Der Datenaustausch zwischen Fahrzeug und Ladesäule wird automatisiert und abgesichert. Ist das Kabel eingesteckt, kommuniziert das Auto auf verschlüsseltem Weg mit der Ladestation, der Ladevorgang startet automatisch. Auch das Bezahlen erfolgt ohne weiterem Einsatz des Fahrers. Die Teslas werden nach dem Prinzip Plug & Charge aufgeladen und abrechnet, es funktioniert derzeit auch beim Mercedes EQS, dem Audi e-tron, Porsche Taycan, Ford Mustang Mach-E und dem Elektro-Smart. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, wann weitere Hersteller und Modelle nachziehen.
▲ Im Revier der Verbrenner: Auch der Mineralölkonzern Shell richtet gerade im Höchsttempo eine Vielzahl von Ladesäulen auf den Arealen seiner Tankstellen ein.
Tankstellen rüsten auf
Lange schienen die großen Tankstellenketten den Boom der Elektromobilität gezielt zu ignorieren – inzwischen agieren sie mit Spitzengeschwindigkeit: Die Giganten wie der Mineralöl- und Erdgaskonzern Shell oder die Aral AG richten auf vielen ihrer Anlagen und direkt neben den traditionellen Zapfsäulen für Benzin und Diesel reihenweise Ladesäulen der modernen Art ein, darunter High-Speed-Charger mit bis zu 300 Kilowatt. Shell geht neuerdings sogar noch einen Schritt weiter und bietet sogar ein Mobilitätsmodell an: das Recharge Auto-Abo mit allen wichtigen Service-Elementen und Kosten inklusive – von Zulassung, Bereifung und Wartung und Steuer bis hin zu Steuer, Versicherung und Batteriemiete.
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