Die Nachricht, die in Deutschland auf allen Kanälen kommuniziert wurde, hat Elon Musk höchstwahrscheinlich nur ein klein wenig elektrisiert. Es kam schließlich genau so, wie er es erwartet hatte. Nur gut 800 Tage, nachdem der Elektropionier aus den USA angekündigt hatte, seine rund um den Globus höchst populären Autos auch in der Bundesrepublik produzieren zu wollen, bekam er nun offiziell grünes Licht. Das Landesamt für Umwelt Brandenburg hat die so genannte Gigafabrik in Grünheide, rund 40 Kilometer südöstlich von Berlin, genehmigt. Anfang April werden hier die ersten Teslas made in Germany gebaut.
Es ist ein weiterer Meilenstein in der an Superlativen reichen Erfolgsgeschichte. Im November 2019 hatte Musk seine Idee von dem Werk in Deutschland preisgegeben, es zwei Monate später bei den Behörden beantragt. Auf Basis von 19 vorläufigen Zulassungen, jedoch ohne offizielle Erlaubnis, fing Tesla wenig später an zu bauen. Musk ging volles Risiko, und sein Mut scheint einmal mehr belohnt zu werden. Alle 45 Sekunden soll künftig ein fertiges Fahrzeug die Gigafabrik verlassen, 3.000 Mitarbeiter sind bereits in Grünheide beschäftigt. Mittelfristig sollen dort 12.000 Facharbeiter bis zu 500.000 Fahrzeuge pro Jahr für den europäischen Markt produzieren. Kritisch bewerten den Neubau eine Reihe von Anwohnern und die Naturschützer. Sie sehen die Wasserversorgung in der Region gefährdet, weil Tesla jährlich bis zu 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser über den lokalen Wasserverband zu beziehen beabsichtigt.
Bier aus der Gigafabrik
Juristische Konflikte lassen Elon Musk prinzipiell kalt. Der geniale Visionär und Vermarkter schafft es vielmehr, mit jedem seiner oft spontan und kurzfristig anberaumten Auftritte in Deutschland, die Menschen zu begeistern und mitzureißen. Auch als die Gigafabrik in Grünheide im vergangenen Herbst eingeweiht wurde, zog er seine Show ab. „Wir werden Bier brauen“, so rief es Musk von der Bühne den 9.000 Gästen zu, während auf der riesigen Leinwand hinter ihm eine flaconartige Flasche mit dem Aufdruck „Giga Bier“ zu erkennen war.
Für die nähere Zukunft sind die Elektromobilität und potenzielle Tesla-Kunden weit interessanter: Auf dem Gelände in Grünheide entsteht neben den Autowerken auch eine Produktionslinie für neu konzipierte Akkus. In dieser Batteriezellenfabrik soll ein Modell entstehen, das sechsmal mehr Leistung als die bisherigen Akkus hat. Branchenkenner berichten von Batterien mit so genannten Trockenelektroden, die generell weniger Fläche verbrauchen und mit höherer Energiedichte punkten. Musk hatte zuvor mehrfach angedeutet, leistungsstärkere Batterien zu entwickeln, die gleichzeitig größere Reichweiten garantieren.
Der Firmengründer hat auch die finanziellen Mittel, seine mitunter spektakulären Pläne zügig und effizient umzusetzen. Tesla fährt weiter und immer schneller auf der Überholspur. Für das vierte Quartal 2021 hat der amerikanische Hersteller gerade den Rekordgewinn von 2,3 Milliarden US-Dollar, rund 2,1 Milliarden Euro, gemeldet. Im Gesamtjahr 2021 betrug der Gewinn 5,5 Milliarden Dollar – 665,5 Prozent mehr als im Vorjahr! Andere Autoproduzenten plagen sich mit dem akuten Chipmangel weltweit, Tesla macht Umsatz. Knapp eine Million Fahrzeuge verkaufte der US-Hersteller im vergangenen Jahr, fast doppelt so viel wie 2020. Teslas Model 3 war im vergangenen Herbst das meistverkaufte Elektroauto in Europa.
Vorsprung durch Vision
Stetig steigende Umsatz- und Gewinnbilanzen sowie strahlende Ideen, was das Zukunftsgeschäft betrifft, machen das börsennotierte Unternehmen Tesla zum Liebling der Anleger. Die Nachricht, dass der Autovermieter Hertz 100.000 Autos bei Elon Musk geordert hat, sorgte für ein Rekordhoch: Teslas Börsenwert betrug über eine Billion Dollar.
Elon Musk denkt an Auto-Abos
Während der Präsentation der neuesten Geschäftszahlen schürte Musk einmal mehr die Spekulationen. Erneut kündigte er an, zeitnah keine Fahrzeuge mehr verkaufen zu wollen. Geht es nach ihm, ist Tesla bereits ab Januar 2023 nur noch ein Vermieter, der an Auto-Abos verdient. Das neue Geschäftsmodell soll jedoch erst umgesetzt werden, wenn die vollautonome Fahrhilfe verlässlich funktioniert und von den Behörden genehmigt ist. „Bis Ende 2022 sind wir so weit“, sagte Musk, der in dem florierenden Abo-Modell die Zukunft sieht. Die Fahrzeuge von Tesla beabsichtigt er als riesige Flotte anzubieten. Per App sollen sämtliche Modelle künftig einfach und bequem für jedermann zu bestellen sein – und die Autos vollautonom zum gewünschten Abholplatz kommen. Laut Musk können die Kunden am Ende des Abos das Fahrzeug abstellen, wo sie möchten, und der Tesla fährt vollautonom weiter zum nächsten Nutzer. Es ist die neue und ultimative Stufe des Carsharings. Der Tesla-Boss möchte alle seine Fahrzeuge am liebsten pausenlos fahren sehen. Gibt es für einen Wagen gerade keinen App-Abonnenten, soll er als vollautonomes Taxi eingesetzt werden. Krachende Zukunftsmusik, die Musk gerne spielt. Wie und von wem er die Rund-um-die-Uhr-Flotte reinigen und pflegen lässt, hat er noch keinem erklärt.
Für ihn als Unternehmensführer geht es zuallererst darum, die Marke spannend zu halten und die stetig wachsende Anhängerschaft in bewährter Manier mit innovativen Ideen zu begeistern. Der Wettbewerb im Boom-Segment der Elektrofahrzeuge wird härter. Viele der renommierten Hersteller aus Europa und Asien bekennen sich mittlerweile klar zu der Mobilität von morgen – mit fest vereinbarten Fristen und einer ganzen Reihe höchst attraktiver Modelle, die klassenübergreifend punkten. Dazu kommen dynamische Neustarter, ähnlich wie einst Tesla mit viel Schwung und frischen Ideen auf Effizienz und Nachhaltigkeit getrimmt. Es hatte eine besondere Note, dass Elon Musk während seiner kurzen Aufenthalte in Deutschland mehrfach die Zentrale von Volkswagen in Wolfsburg besuchte, eingeladen von VW-Chef Herbert Diess. Der US-Visionär sprach den deutschen Top-Managern aufrichtigen Mut für den Wandel hin zur Elektromobilität zu – und bekam Applaus. Der Gegenbesuch in Grünheide ist fest vereinbart.
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